2.2. Inklusive Bildung

2.2. Inklusive Bildung

 

2.2.1.  Definition Inklusive Bildung

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN‑Behindertenrechtskonvention, UN-BRK) ist ein internationaler Vertrag, in dem sich die Unterzeichnerstaaten verpflichten, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.In Österreich ist die UN-Behindertenrechtskonvention (Begleitdokument zur Übersetzung der UN-Behindertenrechtskonvention) seit 26. Oktober 2008 in Kraft. Sie muss bei der Gesetzgebung und der Vollziehung (Verwaltung und Rechtsprechung) berücksichtigt werden.

Österreich hat zusätzlich zur UN-BRK auch das ergänzende Fakultativprotokoll unterzeichnet. Dieses räumt Einzelpersonen und Personengruppen die Möglichkeit ein, beim UN Behindertenrechtsausschuss in Genf eine Individualbeschwerde einzureichen.

Österreich ist bei der Umsetzung eines Inklusiven Bildungssystems nach wie vor säumig. Dies zeigt sich unter anderem in einer diskriminierenden Regelung zur Begrenzung des Schulbesuchs für Schüler*innen mit Behinderungen. Kinder mit sogenannten „sonderpädagogischem Förderbedarf“ haben in Österreich nur Anspruch auf zehn Jahre regulären Schulbesuch. Für den Besuch eines 11. und 12. Schuljahres benötigen sie eine behördliche Bewilligung. Sehr oft wird das Ansuchen jedoch abgelehnt. Ein Missstand, der umgehend zu beheben ist.

„Diese Situation ist mit der UN-Behindertenrechtskonvention unvereinbar. Artikel 24 verpflichtet Österreich im Sinne der inklusiven Bildung zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit Kindern ohne Behinderungen lernen können. Ihnen aufgrund einer Behinderung den Schulbesuch zu verwehren, verletzt Artikel 24 und das Prinzip der Chancengleichheit“, so Christine Steger, Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses.[1]

2.2.2. Umsetzung

Generell ist anzumerken, dass derzeit keinerlei Anzeichen für eine systematische Trans-formation des österreichischen Bildungssystems in Zielperspektive Inklusion ausgemacht werden können.[2]

Hinsichtlich der innerstaatlichen Durchführung und Überwachung der UN-Behindertenrechtskonvention müssen laut Artikel 33 UN-BRK folgende Punkte erfüllt werden:

•               Einrichtung einer oder mehrerer staatlicher Anlaufstellen für Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Durchführung der UN-Behindertenrechtskonvention

•               Schaffung oder Bestimmung eines staatlichen Koordinierungsmechanismus, der die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen in verschiedenen Bereichen und auf verschiedenen Ebenen erleichtern soll

•               Schaffung eines unabhängigen Mechanismus zur Förderung, zum Schutz und zur Überwachung der Durchführung der Konvention (Monitoring)

In Österreich ist die Anlaufstelle des Bundes das Sozialministerium. Die Länder haben – in Entsprechung des Artikels 33 UN Behindertenrechtskonvention und der österreichischen Bundesverfassung – jeweils eigene Anlaufstellen für ihren Zuständigkeitsbereich eingerichtet.

War es zu Beginn der 2000er Jahre noch gängige schuladministrative Praxis, pro Integra-tionsklasse ca. 5 Schüler*innen mit der Zuschreibung Sonderpädagogischer Förderbedarf mit ca. 15 Peers gemeinsam zu unterrichten, so melden Lehrer*innen im Jahr 2021 mit-unter von Fällen, in denen über 10 Schüler*innen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse von insgesamt 24 Schüler*innen unterrichtet werden. Derlei drastische Zuspitzungen finden sich jedoch in eine Tendenz eingegliedert, wonach die ursprüngliche Anzahl von Schüler*innen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf fast durchgehend überschritten wird. Dem Unabhängigen Monitoringausschuss ist bewusst, dass die Qualität inklusiver Bildung nicht nur von Zahlen von etikettierten Schüler*innen abhängt, sondern auch pädagogische Kompetenzen, Haltungen und Schulkultur eine tragende Rolle spielen. Die zuvor nachgezeichnete, schleichende Unterfinanzierung inklusiver Settings muss allerdings als Behinderung der Inklusion bezeichnet werden. Diese Be-hinderung wird schließlich vor allem auf dem Rücken von Schüler*innen mit Behinderun-gen, ihren Eltern und auch den vielen engagierten Lehrer*innen ausgetragen.

Insgesamt können die bildungsadministrativen Praktiken vom Glauben getragen zu sein, Inklusion könne ‚zum Nulltarif‘ und durch bloße forcierte Platzierung von Schüler*innen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf unter den Dächern der Regelschulen entstehen - bei gleichzeitiger Beibehaltung eines dualen Systems. De facto führt diese Strategie aber zu erheblichen Spannungen in der pädagogischen Praxis und forciert einen extremen Qualitätsverlust von als inklusiv intendierten Bildungssettings. Wie bereits erwähnt ist eine umfassende Strategie in Zielperspektive eines inklusiven Bildungssystems, mitsamt den benötigten zusätzlichen Ressourcen, nicht erkennbar. [3]

 


[1] Monitoring Ausschuss.at, https://www.monitoringausschuss.at/kinder-mit-behinderungen-haben-recht-auf-bildung/ 30.11.2022

[2] Bericht Monitoring Ausschuss 2021

[3] Monitoring Ausschuss.at, https://www.monitoringausschuss.at/kinder-mit-behinderungen-haben-recht-auf-bildung/ 30.11.2022