Gastbeitrag - Wir brauchen mehr politische Bildung MEP Hannes Heide
Warum wir mehr politische Bildung brauchen
Von Europaabgeordneten Hannes Heide, Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung
Die Bedeutung politischer Bildung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, für den Erhalt der Demokratie und Gesellschaft. Und doch ist sie in den meisten europäischen Lehrplänen eine Randnotiz oder gar nicht definiert. Vielerorts verlassen die Schüler und Schülerinnen die Ausbildung ohne Ahnung von den politischen Strukturen zu haben in denen sie leben, besonders wenn es um die Funktion und den Aufbau der Europäischen Union geht. Die internationale Schülervergleichsstudie ICCS kommt zu dem Ergebnis, dass nur 35 % der Schüler über ein ganzheitliches Wissen und Verständnis der politischen Konzepte und einen gewissen Grad an kritischer Betrachtung verfügen. Und nur die Hälfte der europäischen Schüler gab an in der Schule etwas über Europa erfahren zu haben. Das ist alarmierend und fordert die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten auf der politischen Bildung in der Schule mehr Raum zu geben.
Information gegen Fake News
Seit einigen Jahren wird das politische Abbild durch Wissenslücken und Fake News verzerrt und es breitet sich die Vorstellung aus die Europäische Union wäre bürgerfern, komplex und verzichtbar. Nationalistisch-populistische Bewegungen instrumentalisieren den Euroskeptizismus für ihre politischen Zwecke. Das setzt demokratischen Systeme zunehmend unter Druck. Nach den nationalistischen Regierungswechseln, in Polen und Ungarn ist die Stundenanzahl der politischen Bildung gekürzt von internationalen Dimensionen zu nationalen Themen beschränkt.
EU-Programme für Schulen
Seit 1990 ermöglicht das Programm Euroscola, mittlerweile ergänzt durch die „Botschafterschulen für das Europäische Parlament“, Schülerinnen und Schülern die Teilnahme an Simulationen der Arbeit im Parlament. Lehrkräfte werden speziell auf die europäische Thematik geschult. Euroscola veranstaltet jedes Jahr 20 Sitzungen in Straßburg, bei denen rund 10.000 Schüler im Alter zwischen 16 und 18 Jahren aus allen Mitgliedstaaten begrüßt werden können. Das anhaltende Wachstum des Programms „Botschafterschule“ zeigt, dass Interesse an Bildungsmaßnahmen zur Unionsbürgerschaft ist groß.
Fleißige Schulen
Im Schuljahr 2020-21 wurden 1.572 Schulen als Botschafter-Schulen zertifiziert. An den Schulen wurden 11.980 Veranstaltungen ausgerichtet, an denen 242 Europaabgeordnete teilnahmen. Durch die Digitalisierung konnte die Reichweite erheblich ausgebaut werden. Es gibt jedoch nach wie vor Schwierigkeiten, Schulen in ländlichen Gebieten zu erreichen. Um den erworbenen Fähigkeiten mehr Gewicht zu geben, wäre eine Anerkennung in Rahmen einer Zertifizierung von den nationalen Behörden für die Teilnehmer wünschenswert.
Mehr Bildung – mehr junge WählerInnen
Ich bin fest davon überzeugt, dass eine Verbesserung der obligatorischen politischen Bildung innerhalb weniger Jahre die Zahl der jungen Menschen an den Wahlen und das politische Engagement insgesamt erhöhen würde und das Maß an Gereiztheit und Fehlinformationen verringern könnte. Es ist Aufgabe der EU-Kommission Leitlinien mit konkreten Beispielen für die Vermittlung von Kenntnissen über die EU auszuarbeiten um diese in den nationalen Lehrplänen zu etablieren. Auch bestehende EU-Programme wie Erasmus+ oder das Europäische Solidaritätskorps verfügen noch über ein erhebliches ungenutztes Potenzial für politische Bildung. So könnten Programmteilnehmer auch einen Lehrgang zur Unionsbürgerschaft absolvieren. Allgemein sollten wir uns von der neoliberalen Vorstellung verabschieden Bildung und Lernen sind ein Instrument für den Arbeitsmarkt. Wissen und Information dient nicht nur der Karriere, sondern dem gesellschaftlichen Miteinander und dem Erhalt der Demokratie.